Dieser Artikel ist erschienen in: Die Zeit 06/2001. © Katja Schmid
Standgebühren auf dem Flohmarkt

Das Online-Auktionshaus eBay will mehr von den Anbietern kassieren. Die drohen mit dem Exodus


Als das Internet noch wüst und leer war, witterten ein paar Amerikaner im World Wide Web den größten Flohmarkt aller Zeiten und gründeten ein Online-Auktionshaus, das sie eBay nannten. Jeder, der wollte, durfte kaufen und verkaufen, vom PEZ-Spender bis zum Auto. eBay verlangte lediglich ein paar Prozent Provision.

Die Idee war ein Riesenerfolg. Heute ist eBay das größte Online-Auktionshaus der Welt mit eigener Aktie und Dependancen in Italien, Deutschland und Japan. Annähernd 23 Millionen Mitglieder weltweit waren Ende 2000 registriert. Lagen die Einnahmen im vergangenen Jahr bei 431 Millionen Dollar, rechnet man für 2001 mit 665 Millionen.

Nirgends wird online so viel gehandelt, nirgends erzielen die Verkäufer so hohe Gewinne. Und natürlich kann die Nummer eins die Regeln diktieren: eBay.de erhöhte am 31. Januar die Gebühren. Doch einige Verkäufer sind darüber so empört, dass sie der Plattform den Rücken kehren wollen. Machen sie ihre Drohungen wahr, droht dem Marktführer der Massenexodus.

Über die Jahre war es nämlich nicht bei den Prozenten geblieben. Sobald das Geschäft in Gang gekommen war, mussten die Verkäufer für jeden angebotenen Artikel eine kleine Gebühr bezahlen.

Es geht zwar nur um Pfennige - künftig kostet es beispielsweise 50 statt 25 Pfennig, einen Artikel zum Startpreis von fünf Mark anzubieten. Doch auch kleine Summen addieren sich zu stolzen Beträgen: So zahlt ein Händler, der sich auf Grafikkarten spezialisiert hat, monatlich rund 3900 Mark Auktionsgebühren an eBay. "Nach der Reform", rechnet er vor, "sind es dann wahnsinnige 5730 Mark. Fazit: Wir werden leider eBay verlassen müssen. Bei den geringen Margen im EDV-Bereich bleibt uns keine andere Wahl."

Bei eBay sieht man die Sache gelassen. Es gibt zwar viele Nachahmer, doch nirgends laufen die Auktionen so gut wie beim Pionierhaus. Das merkten aufgebrachte User schon vor etwa einem Jahr, als eBay.de die Einstellgebühren einführte. Ein paar Wochen lang versuchten sie ihr Glück anderswo - und kehrten kleinlaut zurück.

Was die vielen kleinen und großen Händler so verletzt und gegen eBay aufbringt, ist die Überzeugung, dass es letztlich sie selbst waren, die eBay groß und stark gemacht haben. Weshalb sollte ihnen das nicht auch woanders gelingen? Wenn alle gemeinsam zum selben Konkurrenten wechselten, der keine Gebühren verlangt, wäre das Geschäft gesichert und eBay erledigt. Und sollte der neue Treffpunkt dann abkassieren wollen, müsste man sich eben wieder nach einem neuen Anbieter umsehen.

EHammer.de zum Beispiel widerrief im vergangenen November ganz schnell die neu eingeführten Gebühren, als alles zum kostenlosen Newcomer hood.de flüchtete. Der Retter in der Not mit dem aufmüpfigen Namen geht bereits in die Offensive und garantiert den Abtrünnigen eine Übernahme der bei eBay gesammelten Bewertungspunkte - ein sehr verlockendes Angebot, denn der Handel unter Gleichen, auch Peer-to-Peer-Business genannt, basiert in erster Linie auf Vertrauen. Die Teilnehmer geben einander Punkte, wenn der Handel sauber gelaufen ist - man kauft einen Computer eben lieber bei jemandem, den 100 oder gar 1000 andere schon positiv bewertet haben.

Das Dumme ist nur: Die Käufer gehen immer noch am liebsten zu eBay. Sie zahlen offiziell keine Gebühren, und das soll auch so bleiben. Wenn man aus vielen Angeboten aus der ganzen Welt auswählen will, sucht man eben beim Marktführer. Der Traum vom größten Flohmarkt aller Zeiten führt letztlich zur Monopolbildung. Im 19. Jahrhundert hätte der Staat die Rolle des Monopolisten übernommen und Steuern kassiert - heute ist es eine weltweit operierende Aktiengesellschaft aus den USA.

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